From: Boris Kraut <krt@nurfuerspam.de>
Organization: 
Date: Wed, 30 Jun 2010 21:28:28 +0200
Category: 
Message-ID: <20100630192828.PQI8Wa@silberbruch>  
Keywords: 
Comments: 
To: undisclosed-recipients: ;
Subject: Zur Wahl des Bundespraesidenten

Mein favorisierter Kandidat Joachim Gauck ist sicherlich nicht
perfekt, aber von allen Kandidaten der am besten geeignetste. Das
sieht auch die Mehrheit der Bevoelkerung so. Nun hat er es leider
nicht geschafft und so bleibt mir nur dem neuen 

  Bundespraesidenten Christian Wilhelm Walter Wulff

alles Gute und viel Erfolg zu wuenschen. Ich hoffe, dass er sich
jetzt, da er Bundespraesident ist, von seiner Partei loesen kann und
den Mut hat, auch kritische Worte zu finden, wo dies noetig ist.
Ebenso hoffe ich, dass er seine Naehe zu fundamentalistischen
christlichen Organisationen [1] ueberwinden kann.

Zur Wahl selbst:

1) Ich finde es fragwuerdig, wenn Frau Merkel "ihre" Wahlmaenner (und
   -frauen) zur "Geschlossenheit" aufruft und dazu im Nachsatz auch
   noch von "Verantwortung" spricht. Ist es unserer Bundeskanzlerin
   entgangen, dass sich insbesondere die sog. "Abweichler" auf ihr 
   Gewissen und ihre Verantwortung berufen? Alles gleich machen, auf
   Linie bringen, das hat -- zumindest wo es ohne Not geschieht --
   schonmal uns in den Abgrund gestuerzt. Ich finde eine solche
   parteipolitische Vorgabe einfach nur ekelerregend.

2) Die Linke hat in zweifacher Hinsicht eine historische Chance vertan
   und sich damit selbst um die wenigen Sympathiepunkte gebracht, die
   ich ihr in der letzten Zeit immer wieder zugestehen musste. Zum
   einen hat sie es nicht fertig gebracht, sich klar von ihrer SED-
   Vergangenheit zu distanzieren, zum anderen hat sie wieder einmal
   bewiesen, dass sie nicht fuer die Realpolitik (und damit auch nicht
   fuer ernsthafte Regierungsarbeit) geeignet ist: Sie will lieber
   weiterhin auf der Bank sitzen und einfach nur dagegen sein oder
   Luftschloesser bauen, die man nicht finanzieren kann. Ich bin
   enttaeuscht.

   Anmerkung: Ja, ich rechne es Leuten immer hoch an, wenn sie an
   ihren Werten festhalten. Ich selbst bin Idealist, der manchmal
   nicht verstehen kann, dass man nicht immer sofort alles umsetzen
   kann, der lieber zigfach gegen eine Mauer anrennt und evtl. daran
   scheitert, anstatt den etwas laengeren Umweg zu nehmen. Nun, aber
   genau das ist der Grund, warum ich nicht in die Politik will. Man
   braucht sie, die Idealisten, aber Idealisten, die unfaehig sind,
   ihre Vorstellungen mit der Ist-Situation zusammenzudenken, solche
   Leute sind in der Politik eher ungeeignet. Hier geht es um
   Mehrheiten, hier geht es um den am besten gangbaren Umweg, hier
   geht es um Kompromisse. Wer dazu nicht bereit ist...


[1] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32871/1.html